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DGS - Deutsche Gesellschaft für Soziologie

Gemeinsame Stellungnahme zur Änderung der Lehramts­zugangs­verordnung

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Zwei Studierende in einem Seminarraum unterhalten sich miteinander © Aliona Kardash​/​TU Dortmund

Sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer, sehr geehrte Adressierte,

 

wir wenden uns heute an Sie als Vertreter*innen der für soziologische Inhalte verantwortlich zeichnenden Institute, Fachbereiche und Fakultäten, gemeinsam mit dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und dem DGS-Ausschuss Soziologie in Schule und Lehre.

In den letzten Monaten haben sich, wie Sie wissen, bereits zahlreiche Verbände und Organisationen, inklusive der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung, dem Berufsverband Deutscher Soziolog*innen und nicht zuletzt die Deutsche Gesellschaft für Soziologie (Stellungnahme vom 15.12.2020) gegen eine Änderung der LZV ausgesprochen. Studierende riefen die Social Media-Kampagne #sowibleibt ins Leben.

Die Argumente, die in diesen Stellungnahmen und Aktionen vertreten werden, unterstützen wir in Gänze. Als Expert*innen in der soziologischen Lehre fordern wir explizit eine Rücknahme der geplanten Änderung und eine aktive Unterstützung der nordrhein-westfälischen Landesregierung bei der Aufrechterhaltung der Trias Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften in der sozialwissenschaftlichen Lehrer*innenausbildung, die seit Jahrzehnten landesweit erfolgreich durchgeführt wird und im Rahmen der Qualitätssicherung aller Lehramtsstudiengänge regelmäßig Lehrinhalte an die gesellschaftliche Gesamtsituation wie auch die in den Kernlehrplänen geforderten Kompetenzen anpasst.

Eine Umbenennung, wie in der neuen LZV geplant, führt zu Unruhe bei den Schulen, den Universitäten, den Lehrer*innen und den Studierenden, ohne dass diese erforderlich wäre, denn das Fach Sozial­wissen­schaften bildet seit jeher für ein breites Spektrum von Schulfächern aus (z.B. Arbeitslehre, Gesellschaftswissenschaften, Politik/Wirtschaft etc.). Trotz vieler Nachfragen in zahlreichen Debatten ist bis jetzt noch keine hinreichende Erklärung zu der geplanten Umbenennung erfolgt, insbesondere keine fachliche und bildungswissenschaftliche. Angesichts der allseitig registrierbaren zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besonders prononciert hervortreten, mutet es sachlich wie politisch geradezu widersprüchlich an, eines der Kernfächer, das die Expertise besitzt, derlei gesellschaftliche Problemhorizonte versteh- und erklärbar zu machen, in der Lehramtsausbildung in eine nur untergeordnete Position zu rücken. Nicht zuletzt ist das Lehramt „Sozial­wissen­schaften“ eine starke traditionsreiche Marke, dessen Renommee sich entlang seiner über Jahrzehnte hinweg konsistenten Bezeichnung etabliert hat. Daher wehren wir uns vehement gegen eine solche weitreichende Änderung.

Lehrkräfte müssen auch in Zukunft so ausgebildet werden, dass die drei Disziplinen gleichermaßen kompetent vermittelt werden können. Wie die zahlreichen Stellungnahmen bereits ausführlich dargelegt haben, besteht schon bei einem Blick in die Kernlehrpläne kein Zweifel an der Zentralität der soziologischen Fachinhalte. Zentrale Themen und auch Herausforderungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens wie soziale Ungleichheit, Migration und Teilhabe, Identität, Lebensgestaltung, Bildungsverläufe, Sozialstaat oder die sich wandelnde Sozialstruktur sind soziologische Kernforschungsinhalte. Diese Themen können im schulischen und damit auch im universitären Bereich nicht marginalisiert werden, sondern gehören ganz im Gegenteil eher gestärkt in das Zentrum politischer Debatten und gesellschaftlicher Diskurse. Nur durch eine ebenbürtige Einbindung der Soziologie kann die Vermittlung der Inhalte weiterhin so fruchtbar aus der gemeinsamen Perspektive von Wirtschaftswissenschaften, Soziologie und Politikwissenschaft erfolgen. Nirgendwo in Deutschland, aber insbesondere nicht in einem Bundesland wie Nordrhein-Westfalen, können soziologische Themenbereiche als „nebensächlich“ abgetan werden, was mit einer Umbenennung in der LZV und der inhaltlichen Anpassung u. E. aber versucht wird.

Nicht zuletzt lässt der Vorstoß außer Betracht, dass sich die Soziologie bzw. die Sozial­wissen­schaften seit Jahrzehnten wachsender Beliebtheit erfreuen, gerade weil das Interesse bei Studierenden, aber auch bei Schüler*innen groß ist, sich gesamtgesellschaftlich als Bürger*innen und Mitmenschen zurecht zu finden

– mit dem schon immer auch vermittelten ökonomischen Wissen, aber nicht ohne weitere sozialwissenschaftliche Kompetenzen. Die Hinzunahme soziologischen Wissens ermöglicht Schüler*innen unter anderem eine umfassendere Reflektion ihrer eigenen, kinder- und jugendbezogenen lebensweltlichen Bezüge. Für die angehenden Lehrer*innen erweitert sich durch soziologisches Wissen nicht zuletzt das Verständnis ihrer pädagogisch-professionellen Identität, was sich auch positiv auf den Schulkontext auswirken kann.

Diese Kompetenzen suchen wir mit der integrativen sozialwissenschaftlichen Lehrer*innenbildung zu schulen und zu stärken und appellieren somit nachdrücklich, dies weiter in gewohnter Weise tun zu können. Wir fordern daher eine Weiterführung der erfolgreichen Lehramtsausbildung im Fach

Sozial­wissen­schaften“ unter gleichgewichtiger Berücksichtigung von Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften.

 

Mit den besten Grüßen,

 

die Verantwortlichen der soziologischen Institute bzw. Abteilungen sämtlicher universitären Standorte in NRW mit sozialwissenschaftlicher Lehramtsausbildung, namentlich die Universität Bielefeld, die Ruhr- Universität Bochum, die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, die Technische Universität Dortmund, die Universität Duisburg-Essen, die Universität zu Köln, die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, die Universität Siegen und die Bergische Universität Wuppertal
der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie mit der Vorsitzenden Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink der Ständige Ausschuss Soziologie in Schule und Lehre der Deutschen Gesellschaft für Soziologie